Sommerwerft 2016 - Festival in seiner Existenz gefährdet

Einiges war schon anders bei der Sommerwerft 2016. Zwar lief das bunte Kulturfestival mit seiner vielfältigen Mischung aus Theater, Musik, Poesie, Tanz und Film nach außen hin - beginnend mit der Kulturinvasion (ohne Schiffstour) - scheinbar ganz normal wie immer vom 22. Juli bis zum 17. August auf der Weseler Werft ab, dennoch wurde – bei nahezu jedem Stück oder Auftritt – deutlich, dass das die Veranstaltung nach 15 Jahren in ihrer derzeitigen Form akut in ihrer Existenz bedroht erscheint.

Immer wieder informierten die Organisatoren über die prekäre finanzielle Situation und die damit verbundenen Risiken sowie die Kämpfe die der Verein protagon zur alljährlichen Realisierung des Festivals ausfechten muss. Trotz der großen Zahl von annähernd 100.000 Besucherinnen und Besucher im Vorjahr und der rund 100 Programmpunkte, fehle es immer noch an der entsprechenden Anerkennung von offizieller Seite.

Es habe sich gezeigt, dass – trotz aller lobenden Worte – eine wirklich ausreichende Unterstützung durch die politisch

Verantwortlichen in der Mainmetropole nach wie vor ausbleibt (die anteilige städtische Förderung der Gesamtkosten lag 2016 bei unter fünf Prozent).

So wurde das mögliche Aus der Sommerwerft erstmals angedeutet.

Um dies zu vermeiden, wurden die Fans des Festivals und das Publikum immer wieder aufgefordert, sich mit der Sommerwerft zu solidarisieren. Gesammelt wurden Stellungnahmen von Fürsprechern, Unterschriften und Spenden, um ein Zeichen für den Erhalt zu setzen.

Trotz der Notlage, wurde von den Machern auch in diesem Jahr an den 17 Festivaltagen wieder ein umfassendes Programmangebot auf die Beine gestellt.

Aufwendige Platzbespielungen prägten an vielen Abenden den Outdoor-Bereich des Festivalgeländes.

Leider war die Sommerwerft in diesem Jahr auch von den unbeständigen Witterungsverhältnissen besonders stark betroffen, so dass einige Veranstaltungen sogar abgesagt werden mussten oder, falls sie doch durchgeführt werden konnten, unter deutlich geringeren Besucherzahlen litten.

Im Theater-Zirkuszelt standen Indoor-Theater, die beiden "Nights of the Dance" sowie die beim Publikum sehr beliebten Poetry- und Songslams auf dem Programm. Ergänzt wurde dieses Portfolio durch ein Programm für die jüngeren und junggebliebenen Festival-Besucher mit kindgerechten Stücken und Auftritten von Clowns.

Auch eine bunte Modenschau wurde am Abschluss-Sonntag präsentiert.

Das überwiegend im Beduinenzelt präsentierte Konzertangebot umfasste ein großes Spektrum von Singer-Songwriter-Folk, Rock und Pop über historische Weltmusikklänge bis hin zu New Country, Soul, Rap, oder gar Punk.

Dazu kamen die beliebte "Silent Disco" und verschiedene Freiluft- Kinoabende sowie die großen "Flowmärkte" an den Festival-Sonntagen.

Theater-Festival

Große Zuschauermassen wurden auch in diesem Jahr wieder von den Platzbespielungen der verschiedenen Theatergruppen ans Mainufer gezogen. Auf gleich zwei Arealen des Festivalgeländes – zur City und zum EZB-Bau hin – wurden aufwendige Aufführungen aus der Sphäre des Open-Air- und Straßen-Theaters präsentiert. Daneben gab es aber auch kleinere Auftritte und Ein-Personen-Performances.

„Liquid-Theatre“ - Kriegsdrama und Hochzeitsspektakel

Schon am Auftaktabend, präsentierte das "Liquid-Theatre", ein Ensemble aus Moskau, sein Stück "2189." Beim Titel geht es um die Anzahl der Tage, die der 2. Weltkrieg dauerte. Die Handlung kreiste dabei um die ersten Tage des Krieges und war "all den Opfern dieses sinnlosen Gemetzels" gewidmet.

Ganz anders gestaltete sich dagegen die zweite Aufführung der Truppe am 24.07. Das Publikum wurde "zu Gästen einer Farce, die als sizilianische Hochzeit aufgeführt wird." Eine bunte und laute Parade aus Brautleuten und Hochzeitsgästen zog – ausgestattet mit Gewehren und zerbrochenem Geschirr – am Mainufer entlang bis zum eigentlichen Aufführungsort am östlichen Rand des Festivalgeländes. Dort werden alle Klischees des Hochzeits-Szenarios zur Aufführung gebracht. Da gibt es die eigensinnige Braut, die partout nicht mitspielen will. Als Gäste sammeln sich die Mitglieder verschiedener Mafia-Clans. Von Freudenwirbel über eine dramatische Brautentführung bis hin zur Blutrache wird quasi alles geboten.

https://ru-ru.facebook.com/likvidteatr/  
http://liquid-theatre.livejournal.com/

"Callings" von 2The Carpetbag Brigade"

"The Carpetbag Brigade" aus San Francisco wusste bei ihrem Stück „Callings“ mit akrobatischer Stelzenlaufkunst zu begeistern. Dabei ging es – inspiriert von der Problematik des Klimawandels – um eine metaphorisch-poetische Hommage an die Sirenen des Meeres.

Der Ozean erschien dabei ein lebendiges und zu schützendes Wesen, das vor kommerzieller Ausbeutung geschützt werden muss.

https://carpetbagbrigade.wordpress.com/

antagon – Gingko und Package

Mit zwei Stücken waren die Gastgeber von antagon theaterAKTion bei der Sommerwerft vertreten. Der überarbeitete "Evergreen" Ginkgo aus dem Jahr 2008, wurde erneut zur Aufführung gebracht. Außerdem wurde die Neu-Inszenierung Package dem Publikum präsentiert. Die aufwendige 360-Grad-Platzbespielung "Ginkgo" um Katastrophen und Zerstörung, Zuversicht und Wiedergeburt, lockte an zwei Abenden wieder ganz viele Menschen ans Frankfurter Mainufer.

Ein Ginkgo-Baum war es, der nach dem Atombombenabwurf in Hiroshima als verkohlter Stumpf aufbrach und wieder zum Leben erwachte. Ausgangspunkte für die dramatische Handlung sind die ökologischen Katastrophen unserer Zeit, Kriege und Massenmord in Vergangenheit und Gegenwart, die zunehmende Ungleichheit zwischen Arm und Reich sowie die Verknappung und Vergeudung der Ressourcen des Planeten. Als "Theater der Hoffnung", huldigt der Kraft des Lebens, der es wie der Pflanze immer wieder gelingt, neu auszutreiben.

Dabei gelingt es den Darstellerinnen und Darstellern – mit Mitteln des Körpertheaters, des Ausdruckstanzes, der Akrobatik und des Stelzenlaufs – unvergessliche Bilder zu kreieren: Blutige Gedärme quellen aus geschundenen Leibern hervor, Krieger sind im Kampf miteinander verstrickt. Grauenerregende Mutationen entstehen. Ein flammender Engel schwebt hoch über den Köpfen des Publikums. Zum Schluss entsteht aber das Symbol des Lebens – der Ginkgo-Baum, der die destruktiven Aspekte letztendlich überwindet.

Am letzten Werft-Wochenende wurde zudem die neue Eigenproduktion des antagon-Theaters namens "Package" präsentiert. In ihr geht um den Büroalltag in der entmenschlichten kapitalistischen Arbeitswelt zwischen Mobbing, Monotonie und Karrierekampf. Dieser wird von den Darstellern, die als geldgierige Anzugträger agieren, mit tänzerischen Mitteln in einer hektischen Choreographie auf die Freilicht-Bühne gezaubert, wobei für Antagon die Bankenmetropole Frankfurt der perfekte Aufführungsort für die Inszenierung dieses Stücks darstellt.

Dabei greift das Ensemble das bereits 1993 entstandene Stück des japanischen Künstlers und Choreographen Shusaku Takeuchi auf, der unter der Co-Direktion des künstlerischen Leiters von antagon, Bernhard Bub, selbst Regie geführt hat.

"Frau Vladusch" hängt in der Luft

Die "Luftartistin" Jana Korb spielte auf der Sommerwerft 2016 "Frau Vladusch", die ihren streng organisierten Alltag mit vielen kleinen strikt festgelegten Alltagsritualen allein in ihrer Wohnküche verlebt. Mit tänzerischen Mitteln und den entsprechenden Requisiten werden von der Künstlerin in diesem Aerial Theater-Stück dabei „ins Groteske umgeformte Alltags-Bewegungen“ ihrer Protagonistin demonstriert, bis schließlich ein Wandel einsetzt.

Frau Vladusch verliert allmählich die Kontrolle. In ihren Träumen und Visionen, werden – symbolisiert durch die akrobatischen Bewegungen der Artistin an den Seilen, auf den Trapezen oder am Tuch – Erinnerungen an ein früheres Leben wach. Hierdurch ergeben sich Möglichkeiten für das Entstehen neuer Hoffnungen und für eine persönliche Veränderung.

http://luftartistin.de/narrativer-zirkus-und-strassentheater/frau-vladusch/

teatr Novogo fronta: Zero

Mit seiner Straßentheater-Performance "Zero2 hat das internationale (einst in Sankt Petersburg gegründete und nun in Prag ansässige) "Teatr Novogo Fronta", trotz des unbeständigen Wetters in Frankfurt, mit Mitteln des Körpertheaters und der Pantomime einen Abend mit heiter-trauriger Clownerie auf die Freilichtbühne bei der Sommerwerft gezaubert.

Dabei wurde in dem Stück von Irina Andreeva in einer Art Karikatur eine tragikomische Geschichte über den Menschen und seine vielfältigen Schwächen präsentiert.

www.tnf.cz

Indoor-Theater

Auch beim Indoor-Theater im Zirkuszelt wurde eine kaum überschaubare Vielfalt an Theaterkunst vorgestellt. Diverse Einzelkünstler, wie auch Ensembles konnten in Rahmen des Festivals ihre Stücke und Performances präsentieren. Dazu kamen auch das Kinderprogramm und an den Festival-Montagen die "Nights of Dance."

"PATATRAK"

Das Programm "PATATRAK" von Daniela&Marcello, demonstrierte die eher fröhliche Seite des Festival-Programms.

Im Zirkuszelt inszeniert ein witzig, verspielter Clown seine Träume, so dass in virtuoser Kombination von Clownerie, Akrobatik und Seiltanz eine eigene Welt aus Magie, Zirkus Tanz und Musik entsteht.

www.danielamarcello.com

„Literatisches“ Impro-Theater

Impro-Theater hat immer seinen festen Platz auf der Sommerwerft. Für beste Unterhaltung sorgten die Schauspieler vom Ensemble "Für Garderobe keine Haftung.2 An diesem Abend traf somit Literatur im weitesten Sinne (das Spektrum reichte vom Kriminalroman über den literarischen Klassiker bis hin zum Kochbuch) auf Improvisation.

Die Zuschauer waren dazu eingeladen, eigene Bücher mitzubringen, aus denen dann – per Zufall – verschiedene Passagen ausgewählt worden. Diese wurden dann von den Darstellern in komische, verzaubernde oder spannende Szenen umgesetzt.

fgkh.de

Workshops

Im Rahmen der Sommerwerft wurden erneut verschiedene Workshops aus den Bereichen Theater oder Tanz angeboten.

Wie schon in den beiden Vorjahren wurde auch 2017 die beliebte Schmetterling-Gruppenperformance von Shusaku Takeuchi (Japan/Niederlande) wieder ins Festival-Programm einbezogen. Entwickelt aus verschiedenen Übungen der japanischen Butoh-Tanztradition, die Elemente der bildenden Kunst, des Ausdruckstanzes und der Pantomime umfasst, entwickelte sich eine "Performance mit Intervention" in poetischer Choreographie. Während des Festival-Verlaufs wurde das Stück mehrfach im Frankfurter Stadtraum sowie auf dem Sommerwerft-Gelände zur Aufführung gebracht.

Eine Performance fand dabei – unter strengen Sicherheitsvorkehrungen – in der Mittagszeit vor der Umzäunung des EZB-Glaspalastes statt. Nach Einbruch der Dunkelheit erfreuten die durch Lampions illuminierten Schmetterlings-Tänzer mit ihrer Prozession über das Festivalgelände die zu später Stunde noch anwesenden Zuschauerinnen und Zuschauer.

Diese Performances gehen dabei zurück auf das "Butterfly-Efect-Project", das Takeuchi und andere kurz nach der großen japanischen Erdbeben-Katastrophe im März 2011 ins Leben gerufen haben. Bezugnehmend auf die "spezielle Erscheinungsform nonlinearer Dynamik im Bereich der Chaos-Theorie", erfuhr die symbolische Bedeutung der Schmetterlinge – „als quasi feengleiche Botschafter neuen Lebens oder des beginnenden Frühlings, die immer wieder vielfältige Träume und Hoffnungen mit sich tragen“ – eine besondere Würdigung.

Weitere Workshops umfassten die Bereiche Samba, Tanztraining, Capoeira, Clownerie oder Maskenspiel.

Vielfältiges Musikprogramm auf der Sommerwerft 2016

Galerie(n):

Kulturinvasion

The Carpetbag Brigade - Callings

LiquidTheatre - 2189

LiquidTheatre - Hochzeit\

 
Novogo-fronta - Zero

Daniela & Marcello-PATATRAK

Fuer Garderobe keine Haftung 

JanaKorb - FrauVladusch

antagon

Ginkgo 1

Ginkgo 2

Package 1

Package 2

Schmetterling-Gruppenperformance

Tanz