Sommerwerft 2019

An den 17 Festivaltagen von Mitte Juli bis Anfang August, wurde von den Organisatoren der Frankfurter Sommerwerft, die als Kulturfestival nun bereits seit dem Jahr 2002 existiert, auch im Sommer 2019 wieder ein umfangreiches Programmangebot mit einer unkonventionellen und abwechslungsreichen Mischung aus Theater, Musik, Poesie, Tanz und Film zusammengestellt.

Im Outdoor-Bereich des Festivalgeländes wurden diverse aufwendige Platzbespielungen vorgeführt. Im Theaterzelt/Zirkuszelt gab es u. a. ein weiteres Mal die beiden "Nights of Dance."

Dazu kamen Indoor-Theater-Stücke und Performances, ein Teil des Kinderprogramms sowie die beim Publikum sehr beliebten Poetry- und Songslams.

Ort des Konzertprogramms war das (neue) Beduinenzelt.

Mit insgesamt ca. 300 regionalen, nationalen und internationalen Künstlerinnen, Künstlern und weiteren Aktiven war das Festival sogar noch um einiges größer als im Vorjahr.

Zudem gab es am Frankfurter Mainufer auch etliche Neuerungen. Auf auffälligsten war dabei vermutlich das neu erstellte, größere Beduinenzelt. An verschiedenen Punkten auf dem Gelände waren großformatige Graffiti-Bilder zu aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen positioniert.

Dazu kamen künstlerisch ansprechend gestaltete neue Stände im Gastronomiebereich des Festivals, das sich erstmals auch umweltbewusst-vegetarisch präsentierte.

Abgerundet wurde das Programm durch verschiedene weitere Aktivitäten wie etwas dem "Kultur-Freiraum" auf dem gesamten Festivalgelände, Workshops sowie den großen "Flowmarkt" an den drei Festival-Sonntagen.

Dabei wurde das Publikum u. a. auch durch Clowns und etliche andere kuriose Gestalten bespaßt.

Theater-Festival

Zahlreiche Zuschauerinnen und Zuschauer wurden auch in diesem Jahr wieder von den aufwendigen Platzbespielungen der verschiedenen nationalen und internationalen Theaterensembles zum Frankfurter Mainufer gelockt.

Terra Mia

Ein Höhepunkt des Theater-Programms war sicherlich der Auftritt der italienischen Gruppe Ondadurto Teatro aus Rom, die auch schon in den Vorjahren wiederholt in Frankfurt zu Gast war. Am Eröffnungsabend der Sommerwerft feierte das Stück "Terra Mia" seine Deutschlandpremiere.

Eingeführt wurde das Stück durch Grußworte von Jana Korb (Bundesverband Theater im Öffentlichen Raum e. V.), der Dezernentin für Integration und Bildung der Stadt Frankfurt, Sylvia Weber und dem Festival-Leiter, Bernhard Bub.

Der Blick des Zuschauers wurde in dem multimedialen Spektakel auf verschiedene Individuen, die als Teil einer fiktiven zukünftigen Gesellschaft – die eigentlich schon mehr oder weniger die unsere ist – existieren, gerichtet.

Die in einer digitalisierten, durch-ökonomisierten und von Massenmedien geprägten Welt gefangenen Figuren sind im Verlauf der Handlung in den miteinander verknüpften Szenarien dazu gezwungen, ihre jeweiligen Identitäten zu definieren oder zu optimieren.

Dabei geraten sie im Verlauf der verschiedenen zwischen Arbeit, Freizeit und Liebe fragmentierten Phasen ihres Lebens, immer wieder in absurde, surreal-groteske oder auch tragikomische Situationen.

Den Hingucker bildeten wieder – Ondadurto-typisch – gewaltige Metall-Vehikel und mobile Bühnenelemente, die zeitweise in hohem Tempo über die Spielfläche bewegt wurden.

Die beeindruckende und mitreißende Leistung der Schauspielerinnen und Schauspieler der italienischen Formation wurde vom Publikum in der Main-Metropole mit langanhaltendem, begeisterten Applaus belohnt.

www.ondadurtoteatro.it

Nautilus

Bemerkenswert und aufwendig präsentierte sich auch die Koproduktion "Nautilus" von Blackout Paradox und Teatr Novogo Fronta aus Tschechien.

Inspiriert von Jules Vernes Romanvorlage um Kapitän Nemo und Professor Aronnax, behandelt das Stück die offene Frage "Ist die Menschheit der Schaffung einer Oase des Friedens heute näher als zu Lebzeiten des Autors?"

Dabei wurden die Tiefen des Meeres mit samt der marinen Fauna und Flora in einer knallbunten und Action-reichen Inszenierung durch Projektionen, Pyro-Effekte und eine Feuershow, bei der es auch zum Kampf mit einem riesigen Kraken kommt, zum Leben erweckt.

www.blackoutparadox.com
www.tnf.cz

The legend of a Burning Man

Nach einer Einleitung durch die diesjährige Schirmherrin des Festivals, Dr. Ina Hartwig (Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt am Main), verschmelzen im Stück der spanischen Formation Insectotròpics, "The legend of a Burning Man" Videokunst, Live-Malerei, Theater, Live-Musik und Performance zu einer poetisch-explosiven Multimedia-Show. 

In dieser werdendie Chancen und Gefahren der (Online-) Kommunikation im Kontext gesellschaftlicher Konflikte und Entwicklungsprozesse thematisiert.

Ausgangspunkt ist dabei der Akt der Selbstverbrennung des tunesischen Gemüsehändlers Bouazizi, die als Auslöser der arabischen Revolution von 2011 betrachtet wird.

Die verzerrten Perspektiven beim Blick auf die historischen Entwicklungen werden in der 360-Grad-Inszenierung mit ihren unterschiedlichen Blickwinkeln gut nachvollziehbar. Diverse Bilder und virale Meldungen geistern durch das Netz, wodurch Wahrnehmung, Gefühle und öffentliche Meinung der Massen und Individuen manipuliert und beeinflusst werden.

Es wird gezeigt, wie ein Ereignis so zum Mythos gerät, wobei letztendlich nicht zu klären ist, was letztendlich Realität, Fiktion oder doch nur Vision ist.

www.insectotropics.com

DOMINO

Die "Gefangenschaft von Menschen in einem unbarmherzigen System" hat auch das Stück DOMINO von Teatro Nucleo – in der Tradition von George Orwell oder Aldous Huxley zum Gegenstand.

Das Herzstück der leider etwas schwer nachvollziehbaren Handlung ist dabei eine Art perverse Casting-Show, geleitet von einer gestrengen Moderatorin, deren Diktat die vier Gefangenen/Mitspieler im Verlauf des Stücks ausgesetzt sind.

www.teatronucleo.org

Traum einer Sache & Package

Mit TRAUM EINER SACHE versucht antagon theaterAKTion – als work in progress – eine eigene Aufarbeitung des politischen und sozialen Aufbegehrens der 68er-Generation sowie des damit verknüpften gesellschaftlichen Aufbruchs vor über 50 Jahren.

Dabei wird die revolutionäre Historie in die aktuelle Lebensrealität einer individualisierten und zunehmend virtuellen Welt übertragen und mit den aktuellen szenischen Mitteln von Tanz und Körperkunst erfahrbar gemacht.

Auch das überarbeitete Stück "Package", in dem es um den Büroalltag in der entmenschlichten kapitalistischen Arbeitswelt zwischen Mobbing, Monotonie und Karrierekampf und dem möglichen Widerstand gegen die Fremdbestimmung geht, wurde in diesem Jahr wieder zur Aufführung gebracht.

Erneut griff das Ensemble ein bereits 1993 entstandenes Stück des japanischen Künstlers und Choreographen Shusaku Takeuchi auf, der unter der Co-Direktion des künstlerischen Leiters von antagon, Bernhard Bub, hierbei selbst Regie geführt hat.

"Herr Hundertpfund"

Scheinbar schlechtgelaunt und demotiviert präsentierte Comedian Peter Weyel Weyel – in ständiger Interaktion mit dem Sommerwerft-Publikum – erneut seine preisgekrönte Strassenshow "Herr Hundertpfund."

Einmal mehr musste – während der Comedy-Kombination mit Elementen aus Jonglage, Akrobatik und Tanzeinlagen – ein "Freiwilliger" aus der Menge, von Hundertpfund schnell mit der Anrede "Bärbel" versehen, als "Co-Artist" assistieren und bei etlichen Slapstick-Einlagen als Opfer dienen.

www.peterweyel.de

TEODORICO MAJESTADE. DIE LETZTEN STUNDEN EINES BÜRGERMEISTERS

Politisch wurde es auch in Indoor-Bereich im Theaterzelt.

Mit DIE LETZTEN STUNDEN EINES BÜRGERMEISTERS zeigte das ILHÉUS’ POPULAR THEATER aus Brasilien eine dramatische Geschichte über soziale Ungleichheit, menschliche Verantwortung und die politische Korruption im Rathaus einer fiktiven Stadt.

www.teatropopulardeilheus.com.br

HEIMAT VON OBEN

Zum "Drahtseilakt" im Theaterzelt geriet das Stück "HEIMAT VON OBEN" von Fraktion Lucarelli in dem sich ein "Exil-Ösi erinnert." Dabei wurde, während des Vortrags vom österreichischen Schauspieler Viktor Rabl, hinter der zunächst eher harmlos anmutenden Biographie allmählich eine berühmt-berüchtigte politische Persönlichkeit aus dem rechts-nationalen Bereich der Alpen-Republik erkennbar.

Dargebotene rechtspopulistische Äußerungen zur Heimatverbundenheit, zu Überfremdung und zur gefährdeten inneren Sicherheit irritierten die Zuschauerinnen und Zuschauer, denen es nicht mehr klar war, ob die getätigten Aussagen lediglich aus der gespielten Rolle oder doch aus der Haltung des Schauspielers resultierten.

Als "erzwungene" Reaktion, kommt es in der Folge zu Unmutsäußerungen und Diskussionen zwischen Publikum und Darsteller, so dass manche voller Entrüstung sogar den Spielort verlassen.

• Sommerwerft 2019 – Konzerte
• Sommerwerft 2019 - Tanz, Workshops & Symposium

Galerie(n)

Ondadurto Teatro - TerraMia

"Nautilus" (Blackout Paradox & Teatr Novogo Fronta)

Insectotròpics - The legend of a Burning Man

Domino - Teatro Nucleo

antagon - Traum einer Sache

antagon - Package

Herr Hundertpfund

TEODORICO MAJESTADE

Heimat von oben - Fraktion Lucarelli